Vor dem Urknall by Brian Clegg

Vor dem Urknall by Brian Clegg

Autor:Brian Clegg [Clegg, Brian]
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
ISBN: 9783644016019
Herausgeber: Rowohlt Digitalbuch
veröffentlicht: 2012-01-03T23:00:00+00:00


Inflation – aber anders, als wir sie kennen

Diese Forschung betont wieder einmal, wie indirekt die Verbindungen zwischen dem Beobachteten und den Theorien sind, die auf diesen Beobachtungen beruhen. Benjamin Wandelt von der University of Illinois in Urbana-Champaign veröffentlichte im Mai 2008 eine Arbeit, der zufolge die Daten nicht unserem Bild der Inflation entsprechen. Wenngleich Wandelt mit seiner speziellen Theorie zu einer Minderheit gehört, teilen viele andere Forscher das Gefühl, die Inflation gelte nur eingeschränkt oder sei sogar falsch. Michael Turner von der Universität Chicago sagte dazu: «Sie hält vielleicht noch zehn Jahre lang, aber nicht für immer.»

Wandelts Gründe für den Zweifel an der Inflation haben mit der Gleichförmigkeit zu tun. Der aktuellen Standardtheorie zufolge ist die Inflation für die Tatsache verantwortlich, dass das Weltall zum größten Teil gleichförmig ist, obwohl die weitesten Bereiche des Universums viel zu weit entfernt sind, als dass Informationen jemals von einer Seite zur anderen übermittelt werden könnten, um diese Gleichmäßigkeit zu bestätigen. Sollte die Inflation stattgefunden haben, wären diese Gebiete ursprünglich viel näher zusammen gewesen als ohne die Inflation, sodass sie vor der Inflationsphase eigentlich Informationen gemeinsam haben konnten.

Zu dieser Gleichförmigkeit gehört die Erwartung, dass die Energieschwankungen (und damit die der Temperatur), die wir in der Hintergrundstrahlung sehen, normal verteilt sein sollten. Es ist die weitverbreitete statistische Verteilung, die in der graphischen Darstellung eine glockenförmige Kurve ergibt, wobei die Mehrzahl der Ereignisse um die Mitte gestreut ist, während ungefähr gleichmäßig verteilte Ausläufer, die zunehmend geringer werden, sich nach beiden Seiten hin erstrecken.

In der Praxis scheint es mehr kalte als heiße Flecken auf der Karte der Hintergrundstrahlung zu geben: Die Verteilung verzerrt sich offenbar zum kalten Ende hin und legt nahe, dass etwas mit der aktuellen Inflationstheorie nicht stimmt. Bis jetzt konnten die Daten noch nicht mit dem Grad von Gewissheit bestätigt werden, den Wissenschaftler schätzen. Es gibt eine Chance von 99 Prozent, dass die Zahlen korrekt sind, während Wissenschaftler gern in die Nähe von 99,9999 Prozent kämen, um die Daten als gesichert zu bezeichnen. Allerdings ist die Lage schon jetzt brisant genug, um Befürwortern der Inflation Sorgen zu bereiten.

Das ist aber nicht das einzige Problem, mit dem die Inflation konfrontiert ist. Bedenkt man die enorme Expansion, die im Lauf einer so kurzen Zeit zustande gekommen sein musste, sollte man eine so gewaltige Erschütterung der Struktur von Raum und Zeit erwarten, dass die Echos davon noch heute im Universum nachhallten. Unterliegt die Raumzeit einem raschen Wandel, muss man mit der Erzeugung von Gravitationswellen rechnen, Fluktuationen in Gravitationseffekten, die sich über das Universum hinweg ausbreiten, so wie Kräuselungen sich über einen Teich ausbreiten, wenn man einen großen Stein mitten hineinwirft. Diese Gravitationsschwankungen beeinflussen ihrerseits die Wellenlängen der Strahlung, die durch das Universum fliegt, aber trotz ausgiebiger Suche muss dieser Effekt erst noch gesichtet werden. Was nicht heißt, es gäbe ihn nicht, aber es ist schon verwunderlich, dass man bisher nichts dergleichen gefunden hat.



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